Marx, wie auch Arnim Ortmann, der als damals 19jähriger Wehrpflichtiger in der Eifel den russischen Funkverkehr abhörte, wurde zuvor vom JU-Stadtverbandsvorsitzendem Joshua Östreich begrüßt. Das „Millennium-Kind“, im Jahre 2000 geboren, erläuterte, dass viele seiner Generation nur Filme und Erzählungen über Mauerfall und Kalten Krieg kennen. Fundierte Berichte von Zeitzeugen über die Zonengrenze, das Zonenrandgebiet und dem Kalten Krieg fehlten oft.
Die Region und der Bereich Lauterbach waren Schwerpunkt des „Kalten Krieges“, was sich in großen NATO, US – und Bundeswehr – Manövern äußerte. Neben diesen Großübungen im „Fulda Gap/Fulda-Lücke“ seien im Herbst in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts auch die großen Militärlager, Raketenstationen und US-Kasernen prägend gewesen. Außerdem gab es Sprengschächte in den Straßen, um diese und Brücken beim Vorrücken des Feindes zu sprengen, fasste der 19jährige die Zeit des Kalten Krieges zusammen.
An die militärische Bedeutung Lauterbachs bei einem Einmarsch des Warschauer Paktes und der Russen und dem Weiterrücken des Feindes in das Rhein-Main-Gebiet bis zum Rhein und das Industriezentrum mannheim-Ludwigshafen erinnerte auch Lauterbachs Bürgermeister Rainer-Hans Vollmöller. Für ihn war der Fall der Berliner Mauer und das Niederreißen der Grenzbefestigung zwischen beiden Teilen Deutschlands am 9. November ein bewegendes Ereignis. Nach der Grenzöffnung half der Verwaltungsfachmann beim Aufbau von Kommunen in Thüringen.
Rudolf Marx schilderte in seinem 90minütigen Vortrag mit anschaulichen Worten, wie menschenverachtend das DDR-Regime den Grenzzaun inmitten Deutschlands, zwischen Thüringen und Hessen, ausbaute. Mit Minen und messerscharfen Metallgitterzäunen wurde der „Todesstreifen“ aufgerüstet. Zudem gab es noch den Schießbefehl der die Grenzsoldaten verpflichtete auf Flüchtende zu schießen. „Und dann die Selbstschussanlagen SM 70, trichterförmig, mit unzähligen Metallsplittern gefüllt, ausgelöst durch Schnüre. Viele Flüchtlinge starben oder wurden schlimmstens verletzt“, schilderte der 76jährige bewegt seine Eindrücke von der innerdeutschen Grenze. Der in Romrod lebende vormalige Landrat, der als Technischer Leiter am damaligen Grenzschutzstandort Alsfeld für auch für die Waffen zuständig war, erinnerte an die Anfänge des Bundesgrenzschutz 1951, wo noch keine deutschen Waffen produziert werden dürften- Da musste man eben auf Gewehre und Pistolen aus Belgien, Spanien und der Schweiz zurückgreifen. Eine große und auch freudige Herausforderung sei der Herbst 1989 gewesen, als beim BGS in Alsfeld am Ringofen 600 Flüchtlinge – darunter Mütter mit Babys - aus der westdeutschen Botschaft per Zug in der Stadt ankamen und versorgt werden mussten.
Der heutige Lauterbacher Rechtsanwalt und Notar Arnim Ortmann war 1989 als Wehrpflichtiger bei der Bundeswehr und dort als Abhörspezialist in Daun in der Eifel für den per Morsezeichen übertragenen Funk zwischen dem Oberkommando der sowjetischen Streitkräfte in Zossen/Wünsdorf bei Berlin und Moskau zuständig. Den Abend und die Nacht des 9. November 1989 erlebte der 19jährige in der Kaserne, als während seiner Freizeit vom Funkdienst die Soldaten sich im Fernsehraum versammelten und ungläubig den Geschehnissen an der Berliner Mauer und am Brandenburger Tor folgten. Im Morse-Funkverkehr war schon gegen Ende des Jahres 1989 ein lockerer Ton der Russen gegenüber den ihnen bekannten Abhörern aus der Eifel bemerkbar – nämlich mit Weihnachtsgrüßen.