Ministerpräsident Peter Harry Carstensen in Alsfeld
Aus www.alsfelder-allgemeine.de 16.1.2008
An starkem Hessen interessiert
Alsfeld (rs). Sehr unterhaltsam und mit Anekdoten sowie Zahlen gespickt bestritt am Donnerstagvormittag Peter Harry Carstensen ein »Politisches Frühstück« im Cafe des Rambachhauses. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident unterstütze mit seinem Wahlkampfauftritt CDU-Landtagskandidaten Kurt Wiegel, der die Wahl am Sonntag als eine Richtungswahl charakterisierte.
Mit Anekdoten und Zahlen würzte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen seien Wahlkampfauftritt am Donnerstagvormittag im Cafe des Alsfelder Rambachhauses. Im Hintergrund am Tisch in der Bildmitte sieht man Landrat Rudolf Marx und daneben Landtagskandidat Kurt Wiegel (mit Schal). (Foto: rs)
Es gelte zwischen einer bürgerlichen Koalition aus CDU und FDP auf der einen und einer Links-Koalition aus SPD, Grünen und Linken auf der anderen Seite zu entscheiden, sagte Carstensen. Die Mehrzahl der fast 50 Zuhörer stammten offensichtlich nicht aus der Senioreneinrichtung Rambachhaus, unter einigen Mandatsträgern der Christdemokraten waren unter anderem Kreisvorsitzender Ulrich Künz und Landrat Rudolf Marx.
Als regelmäßigen Wahlkampfhelfer bezeichnete Landtagskandidat Wiegel den hohen Besuch aus dem Norden, denn bereits im Vorjahr habe Carstensen ihn mit einem Auftritt in Lauterbach unterstützt. Kennengelernt habe man sich schon vor Jahren auf der Berliner »Grünen Woche«, die Carstensen immer als Bundestagsabgeordneter besucht habe. Bei der bundesweit bedeutendsten Landwirtschaftsausstellung habe er auch immer den hessischen Stand aufgesucht. Die anstehende Landtagswahl verdanke man vier aufrechten Sozialdemokraten, meinte Wiegel, deren sicher schwerer Entscheidung man Respekt zollen müsse. Ganz anders sollte man auf Äußerungen der SPD-Landesvorsitzenden Andrea Ypsilanti reagierten, die offenbar aus den Vorgängen der vergangenen Monate nichts gelernt habe. Denn sie habe geäußert, das aktuelle Umfragetief für die SPD sei auf die Gewissensentscheidung der vier »abtrünnigen« SPD-ler zurückzuführen. Erst am Mittwoch sei zudem bei einer Diskus- sion an der Albert-Schweitzer-Schule (die AZ berichtete) mit den lokalen Landtagskandidaten deutlich geworden, dass die Vertreter von SPD, Linken und Grünen erneut einen Linksblock wollten. Was dann daraus für das Land folge, könne man immer noch dem am 4. November geschlossenen Koalitionsvertrag entnehmen: Für den ländlichen Raum seien gravierende Einschnitte zu befürchten, und die Beschränkung für den Job-Motor Frankfurter Flughafen treffe den Vogelsbergkreis sicher auch negativ.
Zum strittigen Thema Bildung äußerte Wiegel, er trete klar für das gegliederte Schulsystem ein, in dem alle je nach ihrem Leistungsvermögen gefördert werden könnten. Jungen Menschen, die Schwierigkeiten beim lernen hätten, würden beispielsweise die SchuB-Klassen (Schule und Beruf) ein adäquates Angebot liefern. Generell gelte es, die Schüler aller Schulformen so zu fördern, dass sie dem Trend zu immer schnellerem Anpassen an den Fortschritt folgen könnten. Das Thema Dorf- und Stadterneuerung nehme bei der CDU nach wie vor eine herausragende Stellung ein, sagte Wiegel und wollte damit anderslautenden Äußerungen entgegen treten. Denn die Landesregierung stelle konstant 26 Millionen Euro zur Verfügung und habe sogar den Fördersatz von maximal 20 000 auf 30 000 Euro erhöht. Dies sei geschehen, weil man sich bewusst sei, dass mit der Förderung vor Ort Investitionen um eine Mehrfaches angestoßen würden.
Als wichtige Vorhaben nannte Wiegel noch den Ausbau der DSL-Versorgung (schnelle Internet-Verbindung) und eine Rechtsgrundlage, die Eigentümer großer Grundstücke beim Aufbau oder der Erneuerung von Infrastruktur (Wasser- und Kanal-Netz) entlaste. Denn insbesondere im ländlichen Raum habe man neben immer mehr Leerständen in ehemals landwirtschaftlich genutzten Gebäuden den Fall, dass dort nur noch zwei alte Leute lebten, die mit ihren Ruhestandsbezügen oft schon Schwierigheiten hätten, die Gebäudesubstanz zu erhalten.
»Politik muss sich wieder mehr als Dienstleistung verstehen«, stellte Ministerpräsident Carstensen seinen Ausführungen voran. In diesem Sinne stehe seine Telefonnummer auch im Telefonbuch, und wenn er nach Hause komme, schaue er nach eingegangenen Anrufen, auf die er dann auch immer - oftmals zum Erstaunen der Anrufer - reagiere. Im Sinne der Bürger hätten auch die vier SPD-Abweichler gehandelt, denen Carstensen ebenfalls Respekt zollte, denn unter ihnen habe es auch Personen gegeben, deren Auskommen mit der Gewissensentscheidung auf der Kippe stehe, die sich völlig neu orientieren müssten. Der Ministerpräsident warnte davor, einem Linksblock in Hessen das Steuer in die Hand zugeben, weil dann auch Altkommunisten, Trotzkisten und Befürworter eines Schießbefehls das Sagen haben würden.
Zur Energiepolitik bekannte sich der Norddeutsche als Befürworter regenerativer Energien - allerdings nur, wenn die Kosten-Nutzen-Relation gewahrt werde. In diesem Sinne sei er einer der Vorreiter etwa der Windenergie gewesen, weil an der Küste der Wind eben stetig wehe. Sinnlos sei hingegen, im Binnenland Windenergiean- lagen zu fördern, wo der Wind weniger auftrete. Insbesondere für die Industrie benötige das Land zuverlässige und kostengünstige Energie, um im weltweiten Wettbewerb bestehen zu können. Als nicht ganz uneigennützig charak- terisierte der schleswig-holsteinische Ministerpräsident seinen Auftritt im hessischen Wahlkampf. Denn das nördlichste Bundesland sei Empfänger aus dem Länderfinanzausgleich, in den neben Bayern (2,4 Milliarden Euro) und Baden-Württemberg (2,6 Milliarden Euro) insbesondere Hessen (rund drei Milliarden Euro) einzahle. Schleswig-Holstein erhalte aus diesem Topf 130 Millionen Euro, hinzu kämen vom Bund 120 Millionen Euro. Aus dieser Lage folge das Interesse Schleswig-Holsteins, dass es den Einzahlern gut gehen möge. Das sei unter der Federführung von Roland Koch gewährleistet, den man als den besten Ministerpräsidenten in Deutschland bezeichnen könne. Koch agieren sachlich und nachdenklich, habe immer auch das Wohl des ganzen Landes im Auge, wohl wissend, welchen Stellenwert das wirtschaftsstarke Hessen im Gesamtgefüge einnehme.
Kritische Anmerkungen äußerte Carstensen zum aktuellen Konjunkturprogramm, über dessen Bausteine nicht alle Bürger gleichermaßen erreicht würden. So hätten beispielsweise die meisten Ruheständler weder etwas von der Pendlerpauschale noch von Steuersenkungen. Es sei fraglich, ob es sinnvoll sei, im wesentlichen die elf Millionen Bürger, die rund 90 Prozent des Steueraufkommens bedienten, zu entlasten.
Als überdenkenswert stufte Carstensen auch einige Infrastrukturmaßnahmen und organisatorische Abläufe in Deutschland ein. Aus seiner geografischen Nähe zu Dänemark heraus könne er beurteilen, dass man dort in einigen Bereichen vielleicht etwas einfacher lebe, aber keinesfalls schlechter. Das betreffe beispielsweise den Häuser- und Straßenbau. Auch steuerlich sei es dort offenbar von Vorteil, dass weniger der Faktor Arbeit belastet werde, sondern mehr der Konsum mit 25 Prozent Mehrwertsteuer.
Den allgemeinen Bevölkerungsrückgang bewertete Carstensen als große Herausforderung für die Politik. So litten ländliche Räume zusätzlich noch unter der Landflucht, weil die Menschen zu den Arbeitsplätzen zögen. Deshalb seien Arbeitsplätze zu den Menschen zu bringen. Unter der zurückgehenden Geburtenrate litten naturgemäß auch die Schulen; so habe es in Schleswig-Holstein 1998 rund 29 000 Geburten gegeben, 2007 seien es nur noch 23 000 Geburten gewesen. Deshalb habe man das Schulsystem diesem Trend angepasst, indem man schulische Inhalte eher zusammengelegt habe, als Schulstandorte wegen zu wenigen Schülern zu schließen. Schließlich komme es nicht darauf an, wie eine Schulform heiße, sondern was sie biete.